
Buchempfehlung
Gisela Kämper
Pisa von unten. Aus dem Leben einer Hauptschullehrerin. München, 2.Aufl. 2006
(nicht mehr im Buchhandel erhältlich, kann aber bestellt werden über:
gisela.kaemper@gmx.net zum Preis von 10 Euro + Versandkosten)
Einbandgestaltung nach einem Aquarell von Johannes Degen
5,0 von 5 Sternen Hochaktuell!
Besprechung von Jutta Nolte am 23. Januar 2018
Obwohl das Buch „Pisa von unten“ von Gisela Kämper schon vor 10 Jahren geschrieben wurde, ist es dennoch
hochaktuell! Das ist auch gleichzeitig erschreckend, denn es hat sich in dieser Zeitspanne nichts Wesentliches in den Bildungsinstitutionen Kita und Schule geändert. Der Untertitel „aus dem Alltag
einer Hauptschullehrerin“ ist übertragbar auf andere pädagogische Tätigkeitsfelder. Denn eines bleibt immer gleich: Es ist der fast tägliche Kampf der Pädagogen Bildung zu vermitteln an Kinder mit
immer mehr Verhaltensoriginalitäten, an unruhige, unmotivierte, desinteressierte und respektlose Kinder und Jugendliche. Es ist die Auseinandersetzung mit Eltern, die oft genug beratungsresistent und
ihren Kindern gegenüber hilflos sind, es ist der Kampf gegen immer mehr bürokratischen Aufwand in Form von staatlichen Bildungsrichtlinien, Evaluierungen, Portfolios und
Entwicklungsbeobachtungsbögen. Bei der Dokumentation von Entwicklung und Verhalten kann es aber nicht bleiben. Ohne Erziehung kann Bildung nicht greifen, wie Gisela Kämper es so treffend auf den
Punkt brachte.
Verständlicherweise schreibt sich Gisela Kämper ihren Frust von der Seele. Aber dabei bleibt sie nicht. Sie versucht sich dem Thema durch Beschreibung und Analyse aller am
Bildungsprozess/Bildungsmisere beteiligten Faktoren zu nähern: Schüler-, Eltern- und Lehrerverhalten, Bildungspläne, die Rolle des Kultusministeriums. Und sie reflektiert auch ihr eigenes Verhalten.
Sie sucht nach Erklärungen und Veränderungsmöglichkeiten. Unkenntnis der Rahmenbedingungen sowie Unkenntnis didaktischer Möglichkeiten kann man ihr wahrlich nicht vorwerfen. Denn der wesentliche
Grund dafür, dass Frau Kämper den täglichen Kampf nicht aufgibt und Lösungen sucht, ist die Tatsache, dass sie sich verantwortlich dafür fühlt, mit welcher Qualifikation ihre Schüler und Schülerinnen
die Schule verlassen. Und das ist menschlich sehr großartig!
Gisela Kämper schreibt anschaulich und kurzweilig. Zwischen den Zeilen erkennt man auch manchmal den (Galgen)Humor, ohne den der Pädagogen Alltag nicht ertragbar wäre.
Das Buch endet versöhnlich und tröstend, denn sie gibt einer jungen Kollegin, die den Schuldienst noch vor sich hat, anschauliche Tipps und Ratschläge, um den Alltag zu meistern.
Die Formel ist lebenspraktisch und einleuchtend: Liebe, Regeln und Konsequenzen!